Elo und DWZ

Jeder Schachspieler hat eine bestimmte Spielstärke. Um diese zu verdeutlichen, wurden bereits früh Wertungszahlen eingeführt. Mit solch einer Zahl kann man gut erkennen, wie hoch die Spielstärke eines Spielers ist. Diese Zahlen sind relativ und nicht absolut zu sehen. Die Spielstärke von Schachspielern steigt und sinkt, je nach Tagesform und Gegner. Die Zahlen sind aber nicht nur deswegen relativ, sondern auch weil sie sich auf Spieler bezieht, gegen die man gespielt hat.

Dazu ein kleines Gedankenexperiment. Stellen Sie sich zwei Gruppen von Schachspielern vor. Die eine Gruppe besteht aus Anfängern, die andere aus Fortgeschrittenen und Profis. Bevor beide Gruppen mit dem Spiel beginnen, haben die Spieler alle den gleichen Ausgangswert, da von keinem der Spieler eine Spielstärke bekannt ist. Die beiden Gruppen spielen nur für sich. Die Anfänger nur mit Anfängern und die Fortgeschrittenen und Profis ebenfalls untereinander. Durch die Ergebnisse der Spiele verschieben sich die Wertungen. Die einen steigen in der Wertung, die anderen sinken.

Nun haben beide Gruppen gleich viele Spiele gemacht und in beiden Gruppen hat der beste Spieler eine gleich hohe Wertung wie der beste Spieler aus der anderen Gruppe. Diese beiden Spieler spielen gegeneinander. Was glauben Sie, wer gewinnt?

Auch wenn die Wertung gleich hoch ist, wird höchstwahrscheinlich der Anfänger immer unterliegen. Seine Wertung bezog sich relativ zur Gruppe und nicht auf alle Spieler. So ist das bei allen Wertungszahlen, auch wenn es Bemühungen gibt, dies zu kompensieren. Wenn Sie auf eine Onlineplattform gehen, sehen Sie bei jedem Spieler eine Elo-Zahl oder vergleichbare Wertung. Je höher diese Zahl, umso besser Spielt der User. Doch wenn Sie mehrere Plattformen testen, werden Sie feststellen, dass eine bestimmte Zahl auf einer Plattform kaum vergleichbar ist mit einer anderen. Es gibt Plattformen, auf denen spielen viele Großmeister. Diese »drücken« die Bewertungen anderer Spieler, so dass eine niedrigere Zahl auf dieser Plattform oft stärker ist als eine höhere einer anderen.

Man unterscheidet auch Spielstärken nach Spielmodi. Es ist normal, dass ein Spieler in einem bestimmten Modus deutlich stärker ist als in einem anderen. Meine Wertung beispielsweise steigt deutlich an, sobald ich fünf Minuten oder mehr auf der Uhr habe. Der Unterschied kann hier durchaus mehrere Klassen betragen. Extremer Zeitdruck gegen vergleichbar starke Gegner ist nicht meine Stärke.

Elo-Zahl und Glicko-System

Weltweit wird die Elo-Zahl am meisten verwendet, um die Spielstärke eines Schachspielers zu beschreiben. Der Weltschachbund FIDE wendet es ebenso an wie fast alle Plattformen, Schachcomputer und die meisten Ligen. Deutschland ist hier eine der wenigen Ausnahmen.

Auf Plattformen wird gerne die erweiterte und lizenzfreie Variante, das Glicko-System verwendet. Um nicht unnötige Verwirrung zu stiften, werde ich nur von Elo schreiben.

Die Berechnung der Zahl erfolgt über zwei Gleichungen. Zunächst gibt es einen Erwartungswert, der voraussagt, wie die Partien von zwei Spielern, die gegeneinander Spielen, ausgehen müsste. Wenn Spieler A eine Punktzahl von 1800 hat und Spieler B 2200, dann müsste Spieler B sehr oft gegen Spieler A gewinnen. Spieler B müsste im Durchschnitt aus jedem Spiel 0,9 Punkte holen (1 Punkt ist das Maximum). Er würde von 10 Partien gegen Spieler A somit 9 gewinnen und eines verlieren.

Nach der erfolgten Partie findet die Anpassung statt. Wenn Spieler B tatsächlich gewinnt, steigt seine Elo-Zahl auf 2202 Punkte. Wenn er verliert, sinkt sie auf 2182. Gegen einen vermeintlich schwächeren hat B kaum etwas zu gewinnen (zwei Elo) aber viel zu verlieren (18 Elo).

Gegner A hingegen gewinnt bei einem Sieg 18 Punkte, verliert aber nur zwei bei einer Niederlage.

Wenn beide Unentschieden spielen, gewinnt A 8 Punkte hinzu. Spieler B verliert 8 Punkte.

Wenn Sie sich für die genauen Formeln und die Herleitung interessieren, sollten Sie einen Blick auf Wikipedia werfen. Wichtig ist mir, dass Sie das Prinzip verstehen.

In der Berechnung werden noch Faktoren verwendet, die von der Spielstärke, den gespielten Partien und ggf. vom Alter abhängig sein können.

Die Elo-Zahl bewegt sich in den meisten Fällen zwischen 800 und 3000. Alles unter 1000 wird als Anfänger definiert, ab dann geht es in 200er Schritten Klasse für Klasse nach oben. Theoretisch ist die Skala nach unten und oben offen.

Das Glicko-System wurde insofern erweitert, dass es einen weiteren Faktor gibt, der sich an den Spielpausen orientiert. Je länger nicht gespielt wurde, umso größer wird die Abweichung zum tatsächlichen Wert angenommen. Wenn Sie beispielsweise eine Wertung von 1600 Punkten haben, dann macht es in der darauf folgenden Partie einen Unterschied, ob Sie kurz vorher gespielt haben und auf diese Wertung kamen, oder ob Sie einige Tage, Wochen oder gar Monate pausierten. Je größer die Pause, umso unrealistischer ist es, dass Sie tatsächlich noch 1600 Punkte stark sind. Dieser Parameter hat Auswirkungen auf Ihre Punktzahl und die des Gegners.

Geschlechtertrennung

Eine Eigenart im Schach ist, dass zwischen Männern und Frauen unterschieden wird. Bis auf einige Turniere spielen die Geschlechter auch meist getrennt. Nur selten kommt es vor, dass eine Frau in der Männerliga spielt. Ein Beispiel hierfür ist die seit Jahren beste deutsche Spielerin: Elisabeth Pähtz.

Zwischen 2400 und 2499 Elo gilt man bei den Männern als Internationaler Meister. Ab 2500 gilt man als Großmeister, was die höchste Stufe vor dem Weltmeister ist. Der Weltmeister Magnus Carlsen (Norwegen) hatte im Mai 2014 die höchste je erreichte Punktzahl von 2882 Elo. Das sind also fast zwei Klassen höher als ein frisch gebackener Großmeister.

Bei den Frauen gibt es ab 2200 Elo den Titel »Internationaler Meister der Frauen«, ab 2300 Elo gilt eine Frau als »Großmeister der Frauen«. Aktuell ist die spielstärkste Frau der Welt Hou Yifan aus China. Im Frühjahr 2015 stellte Sie mit 2686 Punkten ihren persönlichen Rekord auf. Die spielstärkste Frau der Schachgeschichte ist die ungarin Judit Polgár. Im Juli 2005 brachte sie es auf 2735 Punkte.

Die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen hat viele Gründe, die ich an dieser Stelle nicht vertiefen möchte. Um Missverständnissen vorzubeugen möchte ich aber erwähnen, dass Frauen definitiv nicht schlechter spielen als Männer. Was aber auf die meisten Frauen zutrifft: sie spielen anders. Meist mutiger, offensiver und nicht so verhalten wie viele männliche Spieler.

Bei einem Wert zwischen 1000 und 1199 gilt man als Gelegenheitsspieler. Ab dann beginnen, in 200er Schritten aufwärts, die Amateurklassen D bis A. 1800 bis 1999 Elo wird als Klasse A definiert, was einem sehr guten Vereinsspieler entspricht. Ab 2000 Elo gilt man als Experte.

Die Zahlen für sich genommen sagen vor allem Anfängern nicht sehr viel. Interessanter wird es, wenn man sich die Verteilung anschaut.

Dieses Diagramm stammt von der Plattform lichess.org und wurde am 05. Dezember 2019 erstellt. Sie sehen hier die Verteilung der Spieler pro Spielstärke im Modus »Classical«. Die Verteilung gleicht einer Normalverteilung und würde auf anderen Plattformen sehr ähnlich aussehen. Die Statistik bezieht sich auf knapp 68 000 Spieler, ist somit also ziemlich aussagekräftig.

Die meisten Spieler liegen bei circa 1500 Elo, was sich u. A. daraus ergibt, dass der Einstiegswert auf lichess.org bei 1500 liegt. Nach dieser Kurve haben 48% der Spieler 1500 oder weniger Punkte. Haben Sie mehr als 1500 Punkte, gehören Sie zu den besten 52%. Bei 1600 Elo gehören Sie zu den besten 39%, bei 1700 zu den besten 27% und wenn Sie 1800 oder mehr Punkte haben, spielen Sie bereits unter den besten 16%.

2000 Punkte oder mehr haben nur noch 4% der Spieler. Das letzte Prozent hat 2125 Punkte oder mehr. Die zu dem Zeitpunkt höchste Punktzahl hat ein Spieler mit 2550 Elo. Einer von 68000!

Manche sehen Wertungszahlen als Angeberei an, dabei geben sie lediglich das Können eines Spielers wieder. Da es im Schach kein Glück gibt, kann man die Fähigkeiten im Schach tatsächlich sehr gut an der Zahl festmachen. Unter 2000 Elo kann es durchaus immer wieder vorkommen, dass ein starker Spieler gegen einen Spieler mit 200 oder 300 Punkten weniger verliert. Je weiter die Zahl beider Spieler steigt, umso unwahrscheinlicher wird es. 50 Elo Unterschied sind unter Gelegenheitsspielern nichts, im Spitzenschach ist der Unterschied aber gravierend.

Eine Zahl von 2900 oder darüber wurde im Schach noch nie von einem Menschen erreicht. Computer sind da mittlerweile deutlich stärker. Zum Einen, weil die Leistung der Hardware immer besser wird, aber vor allem, weil die Engines, also die Motoren die den jeweils besten Zug berechnen, stark perfektioniert wurden. Es gibt Webseiten, die Schachengines gegeneinander spielen lassen und bewerten. Je nach Seite liegt der Wert der besten 20 bis 50 Engines bei über 2900 Elo. Das heißt, dass diese Programme sehr gute Chancen hätten, gegen den aktuellen Schachweltmeister zu gewinnen. Die besten Engine, darunter Stockfish, Houdini und Komodo liegen bei 3300 Elo und darüber. Stockfish ist von den drei genannten Engines sogar kostenlos und wird als Open Source-Projekt entwickelt. Es wir auf zahlreichen Plattformen und Programmen als KI eingesetzt und leistet bei der Spielanalyse hervorragende Arbeit.

Erwähnt werden sollte noch, dass sich der Elo-Wert mit den Jahren in der Schachwelt erhöht, was nicht nur mit der wachsenden Anzahl der Spieler zusammenhängt. Deswegen ist es schwierig, Generationen von Schachspielern miteinander zu vergleichen. Bobby Fischer hatte im Jahr 1972 seinen höchsten Wert mit 2785 Elo. Die 2700er Marke durchbrach er ein Jahr zuvor. 1974 schaffte es Anatoli Karpow, 1980 Michail Tal und 1984 Garri Kasparow. Magnus Carlsen schaffte es 2007 im Alter von nicht einmal 17 Jahren. Man sieht, dass in dem Zeitraum jeweils einige Jahre vergingen. Von 1971 bis 1984 schafften dies vier Spieler. Mittlerweile gibt es über 100 Spieler, die 2700 Elo oder mehr erreichten.

Jeff Sonas stellte in einer Analyse fest, dass über die Jahrzehnte der Wert der Spitzenspieler deutlich anstieg. Ein Vergleich der besten 1000 Spieler zeigt, dass der durchschnittliche Wert zwischen 1975 und 2010 rund 200 Punkte höher liegt. Auch, aber nicht nur deswegen, ist ein historischer Vergleich kaum möglich. Magnus Carlsen, ein wirklich genialer Spieler, wird in der Presse oft als der beste Schachspieler aller Zeiten gefeiert. Die Presse verweist dabei nur auf den Elo-Wert. Ob er gegen Bobby Fischer oder Garri Kasparow in Bestform einen WM-Kampf gewonnen hätte, steht in den Sternen. Selbst wenn man die Inflation der Werte herausrechnet: In den 1970er Jahren wurde Schach anders gespielt als in den 1990er Jahren und damals anders als heute. Abgesehen davon hat Carlsen heute ganz andere Trainingsmöglichkeiten als Fischer und Kasparow zu ihrer Zeit. Computerprogramme, Eröffnungsdatenbanken und Spieldatenbanken standen ihnen nicht zur Verfügung.

Zumindest einen kleinen Ausweg bietet hier der Historische Elo-Wert. Da die FIDE die Elo-Zahl erst 1970 einführte, gibt es keinen richtigen Vergleich zu den Jahren zuvor. Dieser Umstand und weitere Kriterien werden dabei Berücksichtigt und es ergibt sich, historisch betrachtet, ein etwas anderes Bild. Doch ein Problem bleibt noch immer: Welcher Zeitraum soll betrachtet werden? In den meisten Statistiken führt hier Garri Kasparow. Den höchsten jemals erreichten Wert erzielte aber Bobby Fischer mit einer Zahl von 2895. Ob er deswegen der beste Spieler aller Zeiten ist, muss jeder für sich entscheiden.

Deutsche Wertungszahl

Die Deutsche Wertungszahl (DWZ) ist ein System, das vom Deutschen Schachbund seit 1993 verwendet wird. Davor gab es in der Bundesrepublik das Ingo-System, in der DDR die Nationale Wertungszahl (NWZ).

Die Skala ist mit der Elo-Zahl fast identisch, ebenso die Verteilung der Spieler. Mit einem DWZ zwischen 1300 und 1600 gelten Sie als normaler Vereinsspieler. Ein Bundesligaspieler hat meistens einen DWZ von 2300 bis 2500 Punkten.

Die Berechnung ist etwas anders als beim Elo und alle gespielten Partien werden beim Deutschen Schachbund archiviert und auf deren Grundlage die Werte berechnet. DWZ hat somit einen offizielleren Charakter. Die Berechnung ist ausgereifter als die Elo-Zahl und deswegen auch genauer. Tendenziell ist die DWZ etwas niedriger als Elo, oft beträgt die Differenz 10 bis 50 Elo.

Wenn Sie nicht in einem Verein in Deutschland spielen, werden Sie persönlich mit DWZ nichts am Hut haben. Auf einigen Seiten und in Foren stößt man aber immer wieder drauf. Das Verhältnis DZW zu Elo geht noch weiter auseinander, wenn man es mit diversen Portalen vergleicht. Der DZW kann hier 200 Punkte oder niedriger liegen als der Elo-Wert. Wenn Ihnen jemand einen DWZ von 1400 nennt, sie auf lichess.org 1500 haben, sollten Sie nicht davon ausgehen, dass Sie den Vereinsspieler locker besiegen.