Vorsicht Cheater!

Schach macht Spaß. Doch leider gibt es Menschen, die einem diesen Spaß verderben möchten. Betrüger, die mit fremder Hilfe spielen. Es gibt sie vor allem im Internet, aber auch abseits der digitalen Welt. Hier geht es darum, wo die sog. Cheater auftauchen, mit welchen Mitteln sie einem den Spaß vereiteln und woran man dies erkennt.

Computer gegen Mensch

Das Thema ist Komplex. Schon immer haben Menschen versucht, sich beim Schach – wie bei anderen Spielen auch – einen Vorteil zu verschaffen. Mit dem Computerzeitalter ist dies so einfach wie nie. Waren die Programme bis Anfang der 1990er Jahre stark limitiert, sind KIs (künstliche Intelligenzen) in der Zwischenzeit so gut, dass sie jeden Menschen, der je gelebt hat und je leben wird, mit Leichtigkeit besiegen können. Gegen eine gute KI – und dazu kann man inzwischen die hundert Besten zählen – kann ein Staubgeborener höchstens ein Unentschieden erreichen. Wenn er ein Genie ist.

Der Zugang zur Software ist heute kinderleicht. Egal ob Computer oder Smartphone, auf fast jedem Gerät läuft mittlerweile ein starkes Schachprogramm. Gedacht, um sich die Zeit zu vertreiben und zu trainieren, kann man damit ebenso betrügen. Vor allem online.

Betrügen kann jedes Kind

Um ehrlich zu sein, kann ich die Motivation kaum nachempfinden. Auf allen Plattformen kann man Betrug beobachten. Diese Spieler erreichen in kurzer Zeit eine hohe Wertung und werden (hoffentlich) irgendwann überführt. In der Zwischenzeit haben sie vielen den Spaß verdorben. Es macht keine Freude, wenn man gegen Menschen spielen will, aber gegen KIs antritt. Die Wut der Schachspieler ist besonders dann groß, sobald dies in einem Turnier passiert. Man sieht seine Unterlegenheit und Tage oder Wochen später stellt man fest, dass mindestens einer der ersten drei Plätze mittlerweile gesperrt wurde. Manchmal werden die Konten von den als Betrüger markierten Personen anschließend gelöscht. Sekunden danach errichten sie ein neues Konto.

Dies ist eines der Gründe, warum ich kaum noch online spiele bzw. nur gegen Menschen, die ich persönlich kenne. Das Wissen darum, dass überall Betrüger lauern.

Extrem wird es, wenn YouTuber betrügen oder Cheater YouTuber vorführen, sich selbst beim Betrug filmen und dies noch online stellen. Das nimmt dann abartige Formen an. Aber wie funktioniert das?

Grundsätzlich muss man wissen, dass es umso leichter ist, je mehr Zeit man pro Zug hat. Ab 10 Minuten für die ganze Partie reicht heute ein Smartphone. Gespielt wird am Computer, man spielt die Partie auf dem Handy nach und lässt jeden Zug analysieren. Oder die KI wählt gleich den besten Zug aus. Bei Schnellschach reicht die KI-Stärke selbst gegen hochklassigere Spieler (>2100 Punkte) aus.

Bei Fernschach, wo man einen oder mehrere Tage pro Zug hat, ist es noch einfacher. Die KI kann etliche Stunden die Stellung analysieren und man findet auf jeden Fall den perfekten Zug.

Im Blitz wird es schwieriger. Vorteilhaft ist es, wenn man am PC spielt und zugleich ein Schachprogramm offen hat. Die Bewegungen mit der Maus gehen schnell und ruck zuck kann man als Cheater eine 5min oder 3min +2Sekunden Partie gewinnen.

Bei Bullet funktioniert das kaum. Vielleicht ist dies eines der Gründe, warum sich so viele dafür begeistern. Die Zeit reicht einfach nicht, um die KI zu fragen. Zumindest theoretisch, aber dazu gleich mehr.

Abseits des Internets

Wer meint, Betrüger gäbe es nur im Internet, ist leider im Irrtum. In Liga und Schachturnieren kommt dies immer wieder vor. Schachspieler bekommen von Außen Informationen, haben ein Gerät versteckt oder schauen auf der Toilette kurz auf das Smartphone. Es gibt nichts, was es nicht gibt, allerdings kommt es hier seltener vor.

Offizielle Spiele werden, zumindest in höheren Ligen und bei wichtigen Turnieren, hinterher geprüft. Anhand mehrerer Partien kann nicht nur die Fehlerrate ermittelt, sondern auch die Übereinstimmungen mit KI-Empfehlungen durchleuchtet werden. Es kam bereits mehrfach vor, dass Spieler nachträglich gesperrt und die Siege aberkannt wurden.

Clevere Schachspieler versuchen, aus dem Radar zu entfliehen, indem sie nur kleinere Turniere besuchen. Hier ist es ein Leichtes, seine Punktzahl zu erhöhen, ohne auffällig zu werden. Die Motivation ist einerseits die Befriedigung des eigenen Egos, teilweise auch Preisgelder, Sponsoren (was weniger der Fall ist) oder Bevorzugung von Verbänden.

Das Problem an nachträglichen Kontrollen ist – sowohl offline wie online – dass sie nicht perfekt sind. Es kann durchaus sein, dass ein guter Schachspieler über mehrere Partien ein nahezu perfektes Spiel abliefert. Vor allem gegen deutlich schwäre Gegner. Die Fehlerrate allein ist somit kein guter Indikator, vor allem wenn nur wenige Partien berücksichtigt werden. Es besteht immer die Gefahr, dass man unschuldige Spieler des Betrugs bezichtigt. Dieses ungute Gefühl hängt wie ein Damoklesschwert über viele Schachspieler. 

Prüfungen und Gegenmaßnahmen

Um die Komplexität zu verstehen, schauen wir eine Reihe möglicher Prüfungen an. Es ist nicht gesagt, dass alle Tests bei einer Plattform durchgeführt werden, aber wie beim Doping im Sport gibt es auch hier einen Wettlauf zwischen Anbietern und Cheatern.

Tendenziell – aber dies ist eher eine Spekulation meinerseits – kann man erwarten, dass auf einer kostenpflichtigen Plattform weniger betrogen wird. Einerseits, weil ein bezahlter Service mehr finanzielle Ressourcen hat (und Interessen) Cheater zu bekämpfen. Andererseits wollen viele keine Sperrung bei einem Account, den sie bezahlen. Absolute Sicherheiten gibt es aber nicht.

Fehlerquote

Der Standard-Test ist Fehlerquote. Die Partien werden Analysiert und auf Ungenauigkeiten, Fehler und Patzer geprüft. Die ganze Partie kann hierbei im 1/100 Bauerneinheiten Wertung kumulieren. Je geringer der Wert, umso perfekter wurde gespielt. Erfahrene Betrüger wissen das und steuern entgegen. Zum Beispiel, indem sie zum Ende einer Partie Fehler machen, die nicht spielentscheidend sind. In einer genaueren Analyse kann dies herausgefunden werden, also steuert der Cheater erneut dagegen und mach bereits am Anfang stümperhafte Züge um anschließend mit KI-Unterstützung perfekt zu spielen.

Bedenkzeiten

Ein Indiz sind gleichbleibende Bedenkzeiten. Ein menschlicher Spieler hat große Schwankungen pro Zug. Manche Züge gehen schneller, andere langsamer. Wenn es die Möglichkeit gibt, nutzt ein Spieler sog. Prezüge. Das heißt, man loggt den nächsten Zug bereits ein, obwohl der Gegner noch nicht gezogen hat. Das spart Zeit. Wer mit einer KI spielt, muss eigentlich immer abwarten, was die KI sagt und muss auf die Möglichkeit solcher Züge verzichten. Stattdessen ist der Ablauf pro Zug immer gleich, egal ob Eröffnung, Mittelspiel oder Endspiel. Der Cheater gibt den Zug der KI weiter, diese rechnet, gibt ein Ergebnis aus und der Spieler macht den vorgeschlagenen Zug online.

Wer über mehrere Partien hinweg bei fast jedem Zug dieselbe Zugzeit hat, macht sich verdächtig. Betrüger wissen das und machen entsprechend hier und da Pausen. Da wird 30 Sekunden gewartet, nur um die Gleichmäßigkeit zu durchbrechen.

Fensterwechsel

Das ist relativ leicht von einer Plattform zu identifizieren. Wer auf einem PC mit einer KI cheatet, muss das Fenster bei jedem Zug wechseln. Dieser Vorgang kann von der Plattform dokumentiert werden. Im Zusammenhang mit den Faktoren Fehlerquote und Zugzeit können dadurch Cheater leicht identifiziert werden. Gegenmaßnahme? Man hat einen zweiten PC oder ein Smartphone. Damit ist das Problem erledigt.

Mausbewegungen

Jeder, der ein paar Partien online gemacht hat, kennt das. Vor dem Zug werden mehrere Figuren angeklickt, der Mauszeiger gleitet über das Brett und bei Drag & Drop wird nicht immer der kürzeste Weg gewählt. Diese Daten können von der Plattform erfasst werden. Cheater sind hier sehr direkt. Die KI gibt den perfekten Zug vor, warum sollte man andere Figuren anklicken oder mit der Maus unnötige Bewegungen machen?

Das Problem dieser Abfrage ist Folgendes. Es gibt Spieler, die ihren PC mit einem echten Schachbrett verbinden. Das Brett zeigt die Online-Züge an und so kann man bequem am Tisch gegen Menschen aus aller Welt antreten. Der Spieler macht einen Zug auf dem Brett, das Brett leitet diesen an den PC weiter. Hier gibt es keine Mausbewegung. Und diese Funktion hat in der Vergangenheit zahlreiche ehrliche Schachspieler als Betrüger gebrandmarkt.

Sonstige Überwachungsmaßnahmen

Oft liest man vom Verdacht, Schachplattformen würden Screenshots von Desktop machen. Das ist – zumindest im Browser – völliger Unsinn. Wäre dies möglich, wären Erpressungen Tür und Tor geöffnet. Nicht im Bereich Schach, aber auf intimeren Seiten.

Was aber sicher ist: ChessBase mit Fritz verbindet sich automatisch mit dem Internet und sendet Daten. Wer also meint, er könne Fritz benutzen, um im Browser auf derselben Plattform zu schummeln, wird gleich entlarvt. Vergleichbare Prüfungen gibt es auch auf lichess, wenn man in einem Fenster spielt und im anderen die Analysefunktion laufen hat. Die Partie wird direkt abgebrochen und als Niederlage gewertet.

Bei offiziellen Turnieren geht man einen Schritt weiter. Die Schachspieler sollen mit ein bis zwei Kameras spielen. Eine zeigt das Gesicht die andere Kamera die Hände an Maus und Tastatur. Daran erkennt man, wie weit es bereits gekommen ist.

Chess-Bot tötet Online-Schach

Es gibt Programme, die sich komplett auf Cheaten spezialisiert haben. Das bekannteste ist Chess Bot. Die bloße Existenz einer solchen Software zeigt den vollständigen Wahnsinn. Das man es sogar kaufen muss und tatsächlich Menschen Geld dafür ausgeben, lässt die Motivation auf Online-Schach in den Boden sinken. Aber was tut es?

Mit seinen zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten hebelt es nahezu alle oben beschriebenen Maßnahmen aus. Auf Wunsch spielt es sogar selbst, weil es die Bretter der meisten Schachplattformen erkennt. Es variiert Stärke, Zugzeiten und versucht die Maus menschlich zu bedienen. Es ist so programmiert, dass es keinen Fensterwechsel mehr gibt. Man kann selbst spielen, dann blendet es auf dem Brett nur die Zugvorschläge ein. Die Engine ist frei wählbar, außerdem kann man ein Eröffnungsbuch dazu nehmen. Die Stärke lässt sich entweder per Zeit oder per Tiefe regeln. Es gibt sogar eine Abstufung. Bspw. 2 Züge in den ersten 5 Zügen, dann 10 Züge bis zum 10. Zug usw.

Wer es clever anstellt, überlebt auch die Kamera-Kontrollen. Das Tool lässt sich mit Tastenkürzel bedienen, befindet sich in einem kleinen, dunklen Fenster und wenn es lediglich Zugvorschläge auf dem Brett zeigt, sieht man weder an Augen noch Mausbewegung, dass jemand schummelt. Wer zudem schauspielerisches Talent beweist, wird kaum zu überführen sein.

Erschwerend für die Plattformen kommt hinzu, dass Chess Bot zur Funktionalität und Einstellungen ausführliche Anleitungen zeigt. Man braucht kein technisches Wissen mehr. Mit wenigen Mausklicks kann jeder betrügen.

Die Software zeigt, was heute möglich ist. Da Chess Bot kommerziell ist, können sicher Maßnahmen getroffen werden. Wir wissen aber nicht, wie viele findige Programmierer eigene Versionen entwickeln, die nicht mehr entdeckt werden. Eine KI, die sich der Stärke des Gegners dynamisch anpasst, wird kaum zu erkennen sein.

Fazit

Vor einigen Jahren las ich einen Artikel in einem Spielemagazin, nachdem rund ein Drittel aller Onlinespieler in Egoshootern cheaten sollen. Es zeigt sich, dass in nahezu allen Spielen Betrüger unterwegs sind. Schach ist keine Ausnahme. Da fällt es schwer, sich am Online-Erlebnis zu erfreuen. Eine dauerhafte Lösung, ohne Rechte an Datenschutzbestimmungen massiv zu verletzen, gibt es derzeit nicht. Moderne Plattformen investieren viel Energie, um schwarze Schafe dingfest zu machen, doch gestaltet sich dies schwieriger als man denkt.

Neben den gezeigten Methoden gibt es noch weitere, etwa das Sandbagging. Hier verlieren Spieler absichtlich, um anderen Wertungspunkte beizusteuern. Außerdem kann dies helfen, um ein natürlicheres Profil zu erhalten, wenn man betrügt.

Die größte Chance, den Spaß nicht zu verlieren, liegt darin, seine Einstellung anzupassen. Schließlich geht es im Schach nicht nur um Sieg und Niederlage, sondern auch um persönliche Verbesserung. Und ob man dies durch eine KI oder durch Menschen erreicht, ist irgendwo einerlei.