Turmendspiele kommen am häufigsten vor. Rund 40 bis 50 Prozent aller Endspiele sind reine Turmendspiele. Darunter versteht man, dass nur noch Bauern und Türme auf dem Brett sind. Diese Häufigkeit ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen: Türme bleiben oft bis in die Endphase des Spiels auf dem Brett, und ihre Beweglichkeit und Stärke machen sie zu zentralen Figuren in den meisten Endspielstellungen.
Da diese Endspiele sehr häufig vorkommen, werden hier auch viele Fehler gemacht. Das liegt u. a. daran, dass die Theorie zu Turmendspielen gewaltig ist. In Büchern über Endspiele machen sie den größten Teil aus und es gibt Bücher, die sich ausschließlich mit Turmendspielen befassen. Damit dies nicht ausufert, habe ich versucht, die wichtigsten Aspekte zusammen zu fassen.
Aktivität des Turms
Ein aktiver Turm ist oft wichtiger als Materialvorteil. Ein Turm auf der siebten oder achten Reihe kann sehr stark sein, da er gegnerische Bauern angreifen und den gegnerischen König einschränken kann. Vermeiden Sie es, Ihren Turm passiv zu platzieren, etwa indem Sie ihn zur Verteidigung eines Bauern zurückziehen. Ein passiver Turm kann die eigene Position erheblich schwächen.
In dieser Position ist der weiße Turm auf g3 aktiv, da er potenziell Schachs geben kann und Druck auf die gegnerischen Bauern ausübt. Der schwarze Turm auf d5 ist ebenfalls aktiv und kontrolliert eine wichtige zentrale Linie.
Diese Stellung ist zwar ausgeglichen, aber der weiße Turm steht wesentlich aktiver als der schwarze Turm.
Der König muss aktiv sein
Wie in allen Endspielen ist auch in Turmendspielen der König eine wichtige Figur. Versuchen Sie, Ihren König aktiv zu machen, ihn ins Zentrum zu bringen und ihn an Angriffen oder der Unterstützung von Freibauern zu beteiligen.
Der schwarze Turm schränkt den weißen König nahezu vollständig ein. Umgekehrt lässt auch der weiße Turm den schwarzen König nicht an die Bauern, dennoch hat Schwarz mehr Aktivität. Man sieht hier auch, wie mächtig Türme im Vergleich zu Springern oder Läufern sind. Sie können die Aktivität des Königs enorm einschränken.
Die Philidor-Position
Die Philidor-Position ist eine bekannte Verteidigungsmethode in Turmendspielen, bei der der verteidigende Turm die dritte Reihe (oder sechste, aus Sicht des Angreifers) besetzt, um den gegnerischen König am Eindringen zu hindern.
Diese Technik ist aufgrund der Stellung des verteidigenden Turms als drittklassige Verteidigung bekannt. Sie wurde von François-André Danican Philidor im Jahr 1777 analysiert. Viele Turm- und Bauern-gegen-Turm-Endspiele erreichen entweder die remisliche Philidor-Stellung oder die siegreiche Lucena-Stellung (s. w. u.). Die verteidigende Seite sollte versuchen, die Philidor-Stellung zu erreichen; die angreifende Seite sollte versuchen, die Lucena-Stellung zu erreichen.
Das Diagramm ist ein sehr bekanntes Beispiel für die Philidor-Position. Die wichtigsten Merkmale der Stellung sind (aus der Sicht des Verteidigers):
- Der verteidigende König (in diesem Diagramm Weiß) steht auf dem Damenfeld des Bauern (oder in dessen Nähe). Der Bauer kann auf einer beliebigen Linie stehen.
- Der gegnerische Bauer hat die dritte Reihe des Verteidigers (seine sechste Reihe) noch nicht erreicht.
- Der gegnerische König steht jenseits der dritten Reihe des Verteidigers.
- Der Turm des Verteidigers steht auf der dritten Reihe und hält den gegnerischen König von dieser Reihe fern.
Schwarz möchte seinen König auf das Feld e3 bringen und Schachmatt drohen, um den weißen König vom Damenfeld des Bauern e1 wegzudrängen. Der weiße Turm auf der dritten Reihe verhindert dies. Wenn Schwarz mit dem Turm von der Seite schachmatt setzt, hält Weiß einfach den König vor dem Bauern, indem er zwischen den Feldern e1 und e2 wechselt. Wenn Schwarz einen Turmtausch anbietet, sollte Weiß diesen annehmen, da das resultierende König-Bauern-Endspiel remis ist. Beispiel für eine Fortsetzung wäre: 1. Kf1 Td2 2. Ke1 Td3 3. Txd3 exd3 4. Kd2 Ke4 5. Kd1 Ke3 6. Ke1 Ke4 7. Kd2 u. s. w.
Die Lucena-Position
Die Lucena-Stellung ist eine Stellung in der Schachendspieltheorie, in der eine Seite einen Turm und einen Bauern und der Verteidiger einen Turm hat. Karsten Müller (deutscher Großmeister) bezeichnete sie als die vielleicht wichtigste Stellung in der Endspieltheorie, sie ist von grundlegender Bedeutung für das Turm-Bauer-gegen-Turm-Endspiel. Wenn die Seite mit dem Bauern diese Art von Stellung erreichen kann, kann sie die Partie gewinnen. Die meisten Turm- und Bauern-gegen-Turm-Endspiele erreichen entweder die Lucena-Stellung oder die Philidor-Stellung, wenn sie richtig gespielt werden. Die Seite mit dem Bauern wird versuchen, die Lucena-Stellung zu erreichen, um zu gewinnen; die andere Seite wird versuchen, die Philidor-Stellung zu erreichen, um Remis zu machen.
Turm- und beliebig viele Bauernendspiele können zur Lucena-Stellung führen. Da dies ein bekannter Gewinn ist, wird der Spieler mit dem Bauern oft versuchen, die Lucena-Stellung zu erreichen.
Dies ist eine typische Lucena-Position in Lehrbüchern und kommt so oder so ähnlich in zahlreichen Endspielen vor. Weiß ist am Zug und gewinnt. In solchen Stellungen hat Weiß das Ziel, den schwarzen Turm zu beseitigen. Entweder, indem es die Türme direkt abtauscht, was schwieriger ist, oder, indem es den Bauern umwandelt und die neu gewonnene Dame gegen den Turm tauscht, was wesentlich häufiger vorkommt. Eine mögliche Kombination könnte so aussehen: 1. Td1+ Ke7 2. Td4 Ke6 3. Kc7
Zunächst wird der schwarze König abgedrängt. Nachfolgend ist Schwarz bemüht, durch Schach den weißen König zu attackieren, aber das ist nicht von Erfolg gekrönt.
3…Tc2+ 4. Kb6 Tf2 5. Kc6 Tf8 6. Tb4 die Schachgebote hätten weiter gehen können, aber letztlich bringt das Schwarz nicht viel und er schreitet stattdessen zur Tat: Schwarz will die Umwandlung verhindern.
6…Ke5 7. b8=D+ Txb8 8. Txb8
Ab hier wird Schwarz einfach besiegt.
Turm hinter den Freibauern
Stellen Sie Ihren Turm hinter den eigenen Freibauern, um diesen zu unterstützen, oder vor die gegnerischen Freibauern, um sie zu blockieren. Ein Turm hinter einem Freibauern ist in der Regel am effektivsten. Hier ein Beispiel für einen blockierenden Turm:
Während der Turm blockt, holt Weiß den König ran. 1. Kb5 Kf4 2. Kc4 g3 3. Kd3 Kf3
Jetzt kommt der kritische Punkt. 4. Tf1+ führt zum Sieg. 4. Te1?? würde zu Remis führen. 4…Kg2 5. Tf5 Kh2 6. Th5+ Kg1 7. Ke2 g2
Hier hofft Schwarz noch auf ein Patt. 8. Tg5 beendet die Hoffnungen und zwingt den schwarzen König auf die h-Reihe (Zugzwang!).
Die Regel der »Seiten- und Rückenschachs«
Geben Sie wiederholt Schachs von der Seite oder von hinten, um die gegnerischen Figuren zu stören, wenn Sie sich verteidigst oder Material gewinnen wollen.
Das ist eine sehr typische Situation in Turmendspielen. Sie werden dies insbesondere bei Spielen zwischen zwei KIs extrem häufig sehen. Die Stellung ist zwar Remis, aber bis die 50-Züge-Regel greift, versuchen beide Seiten, dem gegnerischen König möglichst häufig Schach zu geben. Dabei geht es um zwei mögliche Ziele:
- Man versucht, dem gegnerischen König Raum zu nehmen, damit man ihn in eine Stellung bringt, in welcher man ihn Matt setzen kann.
- Man versucht den gegnerischen König auf die selbe Reihe oder Linie zu bringen wie den Turm, damit man ihn aufspießen und den Turm schlagen kann.
Bei korrektem Spiel von beiden Seiten funktioniert das natürlich nicht, aber die Bestrebungen sollte man kennen.
Tempoverlust und Zugzwang
In einigen Turmendspielen kann es entscheidend sein, den Gegner in Zugzwang zu bringen, indem sie ihn zwingen, Zugoptionen zu wählen, die seine Position verschlechtern. Beispiel:
Das Spiel wird durch 1. Ke4 entschieden. Es folgt Kg4 2. Txf5 gxf5+ 3. Ke5. Nun haben wir die Position für Zugzwang erreicht:
Egal welchen legalen Zug Schwarz auch macht, er verliert die Deckung des Bauern und somit den Bauern selbst. Anschließend hat er keine Möglichkeit mehr, die Umwandlung zu verhindern.
Sonstige Merkmale
Weiterhin gelten auch in Turmendspielen die Regeln für Bauern und Positionen. Schwache Bauern (isolierte, rückständige oder doppelte Bauern) sind oft in Turmendspielen entscheidend. Versuche Sie, Ihre Bauernstruktur intakt zu halten und Schwächen im Lager des Gegners auszunutzen.
Die Opposition zwischen Königen spielt auch in Turmendspielen eine Rolle. Besonders in Bauernendspielen kann die Opposition entscheidend sein, um den Königsvorteil zu erzwingen. Wenn der verteidigende König den angreifenden König auf Distanz hält, wird dies Bodycheck genannt. Hier ein Beispiel dafür:
Schwarz steht im Schach und ist am Zug. Die Lösung lautet 1…Kg5. Somit wird der weiße König geblockt, während der eigene Bauer weiter gedeckt wird. Tatsächlich ist diese Stellung bei korrektem Spiel Remis.
Wie Sie sehen, können Turmendspiele sehr komplex sein. Da sie aber so häufig vorkommen, ist es sehr empfehlenswert, sich intensiv damit zu befassen. Letztlich gibt es im Schach kaum etwas ärgerlicheres, als eine eigentlich gewonnene Partie wegzuwerfen.