Läufer oder Springer?

Das ist die ewige Frage. Nachdem wir Vor- und Nachteile beider Figuren gesehen haben, machen wir uns an einen direkten Vergleich.

Eine sehr typische Stellung, die von den Figurenwerten und Bauernanzahl ausgeglichen ist. Die Stellung ist auch vollkommen ausgeglichen. Der Läufer kann die verbundenen Bauern von Schwarz nicht angreifen, deckt aber die eigenen Bauern gut ab. Der weiße König kann den f-Bauern aufhalten und auch den Springer eingrenzen. Das Problem für Schwarz ist lediglich, dass er am Zug ist und nicht 1. Sg4+ sondern 1. Sf1+?? spielt. Es folgt 2. Kf2 Sd2 3. Ke2 Se4 4. Lxe4 fxe4 5. Ke3

Diese Stellung ist nun hoffnungslos für Schwarz.

Damit ist immer noch nicht die Frage beantwortet, ob nun Läufer oder Springer besser ist. Die äußerst unbefriedigende Antwort lautet: Es kommt darauf an. Der Läufer ist generell besser in offenen Stellungen und wenn Bauern auf beiden Flanken vorhanden sind. Der Springer ist vorteilhafter in geschlossenen Stellungen und wenn alle Bauern auf einer Seite konzentriert sind. Letztendlich ist die Entscheidung aber stark situationsabhängig, und es ist wichtig, die spezifischen Merkmale der Stellung zu analysieren, um die beste Wahl zu treffen.

Wenn keiner von beiden auf dumme Ideen kommt, ist diese Stellung vollkommen ausgeglichen. Die Möglichkeiten des Läufers für Angriffe sind stark limitiert. Er hat über die Diagonale d1-a4 eine Fluchtmöglichkeit, sollte Weiß auf die Idee kommen, ihn angreifen zu wollen. Die Idee ist für Weiß verlockend, kann aber zu einem sehr dummen Ergebnis führen: 1. Ke3 Lc2 2. Kd2?? Lxd3 3. Kxd3 und Weiß hat sich ruiniert.

Der Grund ist einfach: Der schwarze König wird zum Damenflügel wandern und mit seinem Mehrbauern Druck ausüben. Um dies zu verteidigen, muss auch der weiße König rüber, aber dann kann der e-Bauer marschieren.

Das führt uns zu einer wichtigen Erkenntnis: In Endspielen muss die Situation ganzheitlich betrachtet werden. Zu sagen, dass man Springer und Läufer abtauscht, kann in den Ruin führen. Bevor Sie solche Entscheidungen fällen, müssen Sie die Gesamtsituation betrachten und sich, wie in der gezeigten Stellung, erst einmal überlegen, was passieren kann, wenn beide Leichtfiguren weg sind. Häufig ist es keine Frage von »Läufer oder Springer«, sondern der Bauern und Könige.

Profis können mit genügend Zeit solche Stellungen sehr genau berechnen, Gelegenheitsspieler eher nicht. Aber das ist häufig nicht nötig. Auch Profis rechnen nicht jeden denkbaren Zug durch, sondern beurteilen zunächst die Stellung allgemein, schauen sich Stärken und Schwächen an, kreieren unterschiedliche Pläne und berechnen anschließend diese. Gelegenheitsspieler reicht es oft schon, eine Stellung möglichst korrekt zu beurteilen um sich für den richtigen Weg zu entscheiden. Im konkreten Fall wäre es gewesen, einen Abtausch der Leichtfiguren zu vermeiden bzw. an Stelle von Schwarz anzustreben.

Entscheidend ist oft, ob es ein guter oder schlechter Läufer ist. Diese Begriffe beziehen sich auf die Aktivität und die Effektivität des Läufers in der jeweiligen Stellung. Ein guter Läufer ist ein Läufer, der auf Feldern einer anderen Farbe operiert als die eigenen Bauern. Das bedeutet, dass der Läufer nicht durch die eigenen Bauern behindert wird und somit seine volle Mobilität und Reichweite nutzen kann. Er hat mehr Spielraum und kann effektiv in Angriff und Verteidigung eingesetzt werden.

In dieser Stellung hat Schwarz einen schwarzfeldrigen Läufer auf d6, der als guter Läufer bezeichnet wird, weil die eigenen Bauern auf weißen Feldern stehen (b7, g6, h7). Der Läufer ist nicht durch die eigenen Bauern blockiert und kontrolliert wichtige Felder, insbesondere die Diagonale b8-h2, und kann flexibel auf beide Flanken reagieren.

Ein schlechter Läufer ist ein Läufer, der auf derselben Farbe wie die eigenen Bauern operiert. In dieser Situation werden die Felder, die der Läufer kontrollieren könnte, oft durch die eigenen Bauern blockiert, was seine Aktivität stark einschränkt. Ein schlechter Läufer hat daher oft weniger Einfluss auf das Spiel und kann manchmal sogar zu einer passiven Figur werden.

In dieser Stellung wird der schwarze Läufer von den eigenen Bauern blockiert, während er die gegnerischen Bauern nicht angreifen kann.

Bei der Stellungsbeurteilung geht man i. d. R. so vor, dass man sich zunächst auf die Bauern konzentriert und sich an die entsprechenden Lektionen für Randbauern und Mehrbauern orientiert. Anschließend betrachtet man die Läufer und versucht, ihren Wert in der jeweiligen Position einzuschätzen. Erst danach nimmt man sich den Springer vor und schaut, ob dieser in der Lage ist, die jeweiligen Vor- und Nachteile einer Stellung zu beeinflussen.

Doch eine wichtige Frage bleibt noch: Sind im Endspiel zwei Läufer oder zwei Springer besser?

Auch hier hängt es von der individuellen Stellung ab, aber tendenziell sind zwei Läufer gefährlicher, da sie theoretisch alle 32 Felder abdecken können. Deswegen versuchen viele Spieler bereits frühzeitig einen eigenen Springer gegen einen der gegnerischen Läufer abzutauschen, damit sie nicht in ein Endspiel gegen ein Läuferpaar kommen.

Zwei Springer hingegen können in geschlossenen Stellungen und in taktisch komplizierten Positionen sehr stark sein, wo ihre Fähigkeit, über Hindernisse zu springen und taktische Drohungen aufzubauen, zur Geltung kommt.

Zusammenfassend kann man sagen: In einer offenen Stellung mit vielen Angriffsmöglichkeiten sind die zwei Läufer in der Regel besser. In einer geschlossenen Stellung oder einer Stellung, in der taktische Manöver wichtig sind, können die zwei Springer die Oberhand gewinnen.