Die Feinheiten der Eröffnung

Haben Sie es bemerkt? In der Einleitung für den Abschnitt der Amateure habe ich etwas ausgelassen bzw. nicht ganz korrekt beschrieben. Selbstverständlich haben wir im Buch bereits über Strategien gesprochen, aber ich habe sie nicht so benannt.

Sie glauben das nicht? Dann schauen wir uns die erste der goldenen Regeln an:

»Besetzen Sie das Zentrum, bevorzugt mit einem der Zentrumsbauern.«

Nach der Definition der vorangegangenen Seiten ist das ganz klar eine Strategie. Und wissen sie was? Auch die weiteren sechs Regeln könnte man, mal mehr, mal weniger, als Strategie interpretieren.

Spätestens hier sollte deutlich werden, wie das mit der Strategie im Schach funktioniert. Sie formulieren ein strategisches Ziel, etwa die Besetzung der Zentrumsfelder. Anschließend überlegen Sie, wie Sie dies realisieren können.

In der Schacheröffnung geht es darum, eine Balance zwischen der Kontrolle des Zentrums, der Figurenentwicklung und der Sicherheit des Königs zu finden, während man gleichzeitig auf taktische Möglichkeiten achtet und strategische Positionen aufbaut. Wer diese Grundsätze beachtet, legt den Grundstein für ein erfolgreiches Mittelspiel.

Bisher haben Sie möglicherweise ein paar Eröffnungen gelernt und vielleicht die spezifischen Merkmale verstanden. Doch ein sehr wichtiges Merkmal, insbesondere im Hinblick auf das Mittelspiel, sind die Bauernstrukturen. Mit diesen – sowie positionellen Aspekten – werden wir uns auf den folgenden Seiten intensiv beschäftigen.

Was mit »positionellen Aspekten« gemeint ist, soll folgendes Beispiel zeigen:

Diese Stellung ist am Ende einer Eröffnungsphase entstanden. Es ist vollkommen ausgeglichen. Schwarz ist am Zug und stellt fest, dass es keine Taktiken gibt. Nun stellen sich die Fragen: Wo sind die Stärken und Schwächen in der eigenen und der gegnerischen Stellung? Und wie kann man dies ausnutzen?

Auf d3 hat Weiß einen starken Läufer. Er kontrolliert die Diagonale b1 bis h7. Für Schwarz wäre es gut, wenn er diesen Läufer beseitigen könnte. Bauer auf c4 bringt nichts ein, da der Läufer auf c2 ausweichen kann. Außerdem tötet es die Chance, die Schwarz gerade noch hat. Die Lösung lautet: 1…Sf4. Da zugleich die Dame angegriffen wird, kann der Läufer nicht ausweichen. Nach 2. De3 kommt 2…Sxd3. Ein simpler, erzwungener Abtausch, der die Stellung von Schwarz verbessert. Das ist kein sensationeller Zug, es ist eine Kleinigkeit, aber häufig ist es im Schach wie im Leben: »Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.«

Noch ein zweites Beispiel, um die Denkweise zu verdeutlichen:

Bevor Sie weiterlesen, sollten Sie sich Gedanken über die Stellung machen und die »üblichen Fragen« stellen.

Wenn Sie soweit sind, können Sie weiterlesen.

Das Feld e5 lacht Weiß geradezu an. Es ist der perfekte Ort für den Springer auf f3. Solch eine Position nennt man Vorposten, da der Springer auf e5 in dieser Stellung von keinem gegnerischen Bauern angegriffen werden kann. Zum Thema »Vorposten« gibt es im nächsten Kapitel einen eigenen Abschnitt. Das Problem ist der Läufer auf d6. So, wie in der vorherigen Stellung der schwarze Springer den weißen Läufer abtauschen wollte, hätte hier Schwarz das Bestreben, einen Springer auf e5 zu erobern. D. h.: Vor Se5 muss der Läufer auf d6 beseitigt werden. Dies gelingt mit 1. La3! Da sich dahinter ein Turm befindet, kann der Läufer nicht abhauen. Es kommt zwangsläufig zum Abtausch. Etwa so: 1…Le8 2. Lxd6 Dxd6 3. Se5.

Positionsspiel bedeutet, die eigene Stellung zu verbessern, und Schwächen beim Gegner zu erzwingen. Dies beginnt bereits in der Eröffnung. Sie sind bestrebt, höchst mögliche Aktivität zu entwickeln, ohne Angriffsfläche zu generieren, während Sie die Position des Gegners Zug für Zug schwächen. Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg sind Bauernstrukturen. Was damit gemeint ist, soll folgendes Beispiel zeigen. Wenn Gelegenheitsspieler eine Stellung beurteilen, sehen sie das Brett so:

Das tun auch bessere Spieler, aber sie sehen auch das:

Wie Sie sehen, konzentriert sich dieser Ansatz ausschließlich auf die Bauern. Viele Schachspieler betrachten die Bauernstruktur als das Fundament des Schachspiels. Bereits in der Eröffnung wird häufig festgelegt, welche Bauernformationen im weiteren Verlauf der Partie entstehen. Manche Bauernstrukturen ähneln sich stark oder sind sogar identisch, obwohl sie aus unterschiedlichen Eröffnungen resultieren. Diese Strukturen sind entscheidend, da sie wertvolle Informationen über die Stellung liefern. Sie geben Hinweise darauf, ob die Partie offen oder geschlossen ist, und legen oft strategische Ziele fest. Ganz allgemein unterscheidet man zwischen geschlossenen und offenen Stellungen. Hier ein Beispiel für eine geschlossene Stellung:

Alle Zentrumsbauern sind noch auf dem Brett und blockieren sich gegenseitig. Geschlossene Stellungen zeichnen sich u. a. dadurch aus, dass Springer gegenüber Läufern im Vorteil sind, da Läufer offene Diagonale brauchen, um ihre Stärke zu entfalten.

Schauen wir uns eine offene Stellung an:

In solchen Strukturen sind Läufer den Springern überlegen. Außerdem erkennt man sofort, dass es günstig wäre, die offenen Linien mit Türmen zu besetzen.

Es gibt auch Strukturen, die sich nur auf einen Teilbereich des Schachbretts konzentrieren.

Ohne die Position der restlichen Figuren zu kennen, wird klar, dass Schwarz ein Problem hat. Die Bauernstruktur vor dem König ist geschwächt. Ein häufiges Motiv von Weiß besteht darin, mit der Dame auf h7 oder g7 Matt zu setzen.

Solche Strukturen können forciert oder gar erzwungen werden – sie entstehen also nicht zufällig. Die gezeigte Schwäche der Bauern entsteht bspw. durch das Schlagen eines Springers auf f6, wenn er von keiner anderen Figur außer dem Bauern gedeckt wird. Manchmal ist der positionelle Vorteil, der entsteht, so groß, dass man materielle Nachteile in Kauf nimmt. Etwa, indem man einen solchen Springer gegen einen Turm tauscht.

Um die Konsequenzen besser zu verstehen, gehen wir vom Allgemeinen ins Spezielle:

Aus der vorangegangenen Position wird deutlich, warum der Läufer auf g5 so unangenehm ist. Gleiches würde für einen schwarzen Läufer auf g4 gelten. Ja, die Springer sind durch Bauern gedeckt, aber aufgrund der drohenden strukturellen Schwäche ist es keine Option, die Dame zu bewegen. Der Preis ist viel zu hoch. Aus dieser Überlegung heraus baut man häufig den prophylaktischen Zug h6 (Schwarz) bzw. h3 (Weiß) ein.

Ein zentraler Punkt sind strukturelle Schwächen, die bereits in der Eröffnung aufkommen können. Wie bereits gezeigt, entstehen solche Schwächen durch den Abtausch von Figuren. Selbst wenn die Figurenwerte gleich sind, kann ein solch »gleichwertiger« Abtausch zu Problemen führen – oder zum Vorteil. Holen wir an dieser Stelle etwas weiter aus. Folgende Überlegungen sind entscheidend:

1. Stellungsvorteil

Frage Sie sich, ob der Tausch Ihre Stellung verbessert. Wird eine Ihrer Figuren nach dem Tausch auf ein aktiveres Feld gelangen, oder erhalten Sie dadurch Kontrolle über ein wichtiges Feld oder eine Linie? Überlegen Sie, ob der Tausch die Stellung des Gegners verschlechtert. Können Sie dadurch die gegnerische Bauernstruktur schwächen oder eine seiner Figuren in eine passivere Position drängen?

2. Figurenaktivität

Tauschen Sie keine aktive Figur gegen eine passive Figur des Gegners. Wenn Ihre Figur auf einem guten Feld steht und viel Einfluss auf das Spiel hat, ist ein Tausch möglicherweise nicht ratsam. Überlegen Sie, ob Sie eine aktive Figur des Gegners tauschen können, die Sie möglicherweise bedroht oder einen starken Einfluss auf das Zentrum hat.

In dieser Stellung wäre 1. Lxb8?! möglich. Auch wenn es ein gleichwertiger Figurentausch ist, würde Weiß eine aktive Figur gegen eine passive Figur tauschen.

3. Bauernstruktur

Wie gezeigt, kann ein Tausch die Bauernstruktur beeinflussen. Überlegen Sie, ob der Tausch Ihrerseits eine Schwächung der gegnerischen Bauernstruktur verursacht, z. B. durch die Schaffung von isolierten Bauern oder Doppelbauern. Achten Sie darauf, ob ein Tausch Ihre eigene Bauernstruktur verschlechtert. Vermeiden Sie Tauschoperationen, die Ihnen schwache Bauern oder Löcher in Ihrer Stellung hinterlassen. Damit werden wir uns gleich tiefer befassen.

4. Königssicherheit

Prüfen Sie, ob der Tausch die Sicherheit Ihres Königs oder des gegnerischen Königs beeinflusst. Wenn der Tausch die Verteidigung des gegnerischen Königs schwächt (z. B. durch die Entfernung eines wichtigen Verteidigers), könnte dies vorteilhaft sein. Insbesondere in der Eröffnung ist es oft ratsam, keinen Tausch einzugehen, der Ihre Rochade verzögert oder Ihre Königssicherheit beeinträchtigt.

5. Zentraler Einfluss

Überlegen Sie, wie der Tausch Ihre Kontrolle über das Zentrum beeinflusst. Wenn der Tausch dazu führt, dass Sie das Zentrum besser kontrollieren oder es dem Gegner schwerer macht, das Zentrum zu beherrschen, kann das vorteilhaft sein. Ein Tausch sollte vermieden werden, wenn er dazu führt, dass Sie zentrale Kontrolle verlierst und der Gegner dadurch eine bessere Stellung im Zentrum erhält.

6. Materielles Gleichgewicht

Tauschen Sie in der Regel Figuren nur dann, wenn es zu einem gleichwertigen Materialaustausch kommt, es sei denn, es gibt andere positionelle Vorteile oder es handelt sich um eine Mattkombination. Wenn Sie bereits einen materiellen Vorteil haben, kann ein Figurentausch vorteilhaft sein, um den Vorteil ins Endspiel zu übertragen. Umgekehrt sollten Sie Tauschoperationen vermeiden, wenn Sie materiell im Nachteil sind und noch Chancen im Mittelspiel haben.

7. Entwicklungsvorsprung

Wenn Ihr Gegner noch nicht gut entwickelt ist, kann ein Tausch vorteilhaft sein, da er möglicherweise gezwungen wird, eine weitere Figur zu entwickeln oder Zeit zu verlieren. Vermeiden Sie Tauschoperationen, die Ihre eigene Entwicklung verlangsamen oder Sie dazu zwingen, zusätzliche Züge zu machen, um Ihre Figuren zu aktivieren.

8. Timing und Initiative

Wenn Sie die Initiative im Spiel haben, sollten Sie überlegen, ob ein Tausch diese Initiative beibehält oder sogar verstärkt. Manchmal ist es besser, die Spannung aufrechtzuerhalten und den Tausch nicht sofort durchzuführen, um den Gegner unter Druck zu setzen und ihn zu Fehlern zu verleiten.

9. Langfristige Pläne

Überlegen Sie, ob der Tausch Ihre langfristigen strategischen Pläne unterstützt. Wenn Sie beispielsweise planen, eine bestimmte Schwäche im gegnerischen Lager anzugreifen, könnte ein Figurentausch notwendig oder kontraproduktiv sein, je nachdem, wie er diese Pläne beeinflusst. Ein Tausch sollte nicht nur in Bezug auf den aktuellen Zug, sondern auch in Hinblick auf zukünftige Pläne beurteilt werden. Manchmal ist es sogar besser, einen Tausch aktiv zu vermeiden.

Wie Sie erkennen können, steckt davon einiges bereits in den goldenen Regeln, aber auf einem höheren Spielniveau ist es wesentlich mehr. Ein zentraler Punkt, der immer wieder aufs Tapet kommt, sind die strukturellen Schwächen. Dazu ein Beispiel:

Wir achten wieder nur auf die Bauern. Ganz intuitiv werden Sie richtig erkannt haben, dass die Position der schwarzen Bauern deutlich besser ist. Dies hat zwei Gründe. Zunächst fallen uns die Bauern auf a3 und c4 auf. Sie sind schwach, da sie von keinem anderen Bauern gedeckt werden. Der Bauer auf a3 wird i. d. R. noch von einem Turm gedeckt, aber c4 könnte ein potentielles Angriffsziel für Schwarz sein.

Der zweite Punkt ist: Schwarz hat zwei Bauerninseln, Weiß drei. Ganz allgemein gilt die Regel: Je weniger Bauerninseln eine Seite hat, umso besser!

Eine geringere Anzahl von Bauerninseln gilt als vorteilhaft, weil es die Bauernstruktur stabiler und leichter zu verteidigen macht. Wenn Bauern in einer einzigen oder wenigen Inseln zusammengefasst sind, können sie sich gegenseitig decken und benötigen weniger Unterstützung durch andere Figuren. Das bedeutet, dass mehr Ihrer Figuren für aktive Pläne genutzt werden können, anstatt zur Verteidigung von isolierten Bauern abgestellt zu werden.

Außerdem führen mehrere Bauerninseln oft zu Schwächen in der Stellung, insbesondere zu isolierten oder rückständigen Bauern, die vom Gegner leichter angegriffen werden können. Diese Schwächen können im Mittelspiel zu taktischen Problemen und im Endspiel zu entscheidenden Nachteilen führen, da isolierte Bauern leichter blockiert und angegriffen werden können, ohne dass sie von anderen Bauern geschützt werden.

Wir achten weiter nur auf die Bauern. Der auf d6 gilt als rückständig. Dies ist so, weil er von keinem anderen Bauern gedeckt werden kann. Dadurch entsteht auf d5 ein Loch, welches ein idealer Vorposten für einen weißen Springer darstellen kann.

Schwarz hat einen isolierten Bauern auf d5. Dadurch hat Schwarz drei Bauerninseln. Das strategische Ziel von Weiß besteht darin, den isolierten Bauern zu erobern. Immer vorausgesetzt, dass keine taktischen Motive oder konkrete Mattkombinationen in der Luft liegen oder es bessere strategische Ziele gibt.

Es bedarf einiges an Übung, bis einem solche Strukturen sofort ins Auge springen und sich dadurch die strategischen Pläne quasi von selbst ergeben. Wenn Sie sich bei der Computeranalyse Ihrer eigenen Partien fragen, warum der eine Zug besser – teilweise deutlich besser – ist, als ein anderer, dann liegen häufig positionelle Überlegungen zu Grunde.

Karlsbader Bauernstruktur

Wie bereits erwähnt, gibt es sehr typische Bauernstrukturen, die allerdings aus verschiedenen Eröffnungen kommen können. Eine der bekanntesten ist die Karlsbader Bauernstruktur. Sie kommt u. a. aus dem abgelehnten Damengambit mit der Zugfolge: 1. d4 d5 2. c4 e6 3. Sc3 Sf6 4. cxd5 exd5 5. Lg5 Le7 6. e3 c6

Beide Seiten haben jeweils zwei Bauerninseln, und Weiß hat seinen c-Bauern gegen den e-Bauern von Schwarz getauscht, was zu halboffenen Linien führt. Am Damenflügel verfügt Weiß über zwei Bauern auf a2 und b2, während Schwarz dort eine Bauernmehrheit mit seinen Bauern auf a7, b7 und c6 besitzt.

Die Karlsbader Bauernstruktur ist deshalb von Bedeutung, weil sie beiden Seiten zahlreiche Möglichkeiten eröffnet und in vielen Eröffnungen erreicht werden kann. Beispiele hierfür sind die Caro-Kann-Verteidigung, das Skandinavische Gambit, die Nimzo-Indische Verteidigung und viele weitere Eröffnungen, die mit 1.d4 beginnen.

Der bekannteste Plan in der Karlsbader Bauernstruktur ist der Minoritätsangriff. Dieser tritt auf, wenn der Spieler, der auf einer Brettseite weniger Bauern hat, versucht, mit seinen Bauern die Bauernmehrheit des Gegners anzugreifen. In der Karlsbader Struktur geschieht dies am Damenflügel, indem die Bauern auf a2 und b2 nach a4 sowie b4 und b5 vorrücken. Ziel des Minoritätsangriffs ist es, die Bauernstruktur am Damenflügel zu seinen Gunsten zu verändern.

Zur Erklärung: Der Begriff »Minoritätsangriff« beschreibt eine strategische Vorgehensweise im Schach, bei der der Spieler, der auf einer Seite des Bretts weniger Bauern hat, diese gezielt einsetzt, um die Bauernmehrheit des Gegners anzugreifen. Das Ziel eines solchen Angriffs ist es, Schwächen in der Bauernstruktur des Gegners zu provozieren, die später ausgenutzt werden können. In der Regel versucht der Angreifer, durch diesen Vorstoß die gegnerischen Bauern zu isolieren, rückständig zu machen, oder Schwächen in Form von offenen Linien oder Löchern in der Verteidigung zu schaffen, die dann von den eigenen Figuren angegriffen werden können.

Igel-Struktur

Die Igel-Struktur ist eine komplexe und vielseitige Verteidigungsformation, die häufig in Schachpartien verwendet wird, insbesondere als Reaktion auf die Eröffnungen 1. c4 und 1. Sf3. Sie ist gekennzeichnet durch eine kompakte Anordnung von Bauern, typischerweise auf den Feldern a6, b6, d6, und e6, wobei der c-Bauer entweder auf c5 oder c6 steht. Diese Struktur gibt dem Spieler, der den Igel aufbaut, eine starke, aber zurückhaltende Verteidigungsstellung, die auf Flexibilität und Gegenangriffe setzt.

Igel-Stellung von Schwarz

Ein zentrales Merkmal der Igel-Struktur ist die Zurückhaltung des Spielers, der sie verwendet. Die Bauern stehen auf der sechsten Reihe (für Schwarz), wodurch die Stellung solide und schwer zu durchbrechen ist. Trotz dieser Passivität bietet die Igel-Struktur zahlreiche strategische Möglichkeiten, da sie oft auf explosive Gegenangriffe abzielt. Insbesondere Bauerndurchbrüche wie …b5 oder …d5 sind typische Pläne, mit denen der Igel-Spieler die zuvor zurückhaltende Stellung plötzlich in eine aktive verwandeln kann. Diese Gegenstöße können das Spiel dynamisch verändern, indem sie Linien öffnen und Gegenspiel schaffen.

Eine der größten Herausforderungen für den Igel-Spieler ist das Manövrieren der Figuren hinter den eigenen Bauern, um im richtigen Moment aktiv zu werden. Typische Figurenaufstellungen in der Igel-Struktur umfassen das Platzieren des Springers auf d7 und des Läufers auf b7 (für Schwarz), während die Türme oft auf den Halboffenen Linien c und d positioniert werden. Diese Figurenkoordination zielt darauf ab, die Flexibilität der eigenen Stellung zu maximieren und auf gegnerische Angriffe adäquat reagieren zu können.

Gegner der Igel-Struktur versuchen oft, die Raumvorteile auszunutzen, die sie durch die eigene Kontrolle des Zentrums haben. Ein typisches Vorgehen ist es, den Igel-Spieler in die Defensive zu drängen und zu verhindern, dass er seine geplanten Bauerndurchbrüche durchführen kann. Doch gerade in diesen scheinbar passiven Stellungen kann die Stärke des Igels liegen, da der Gegner durch einen verfrühten Angriff oder ungeduldiges Spiel leicht strategische Fehler machen kann.

Insgesamt gilt die Igel-Struktur als eine tiefgründige und universelle Verteidigung, die sowohl für erfahrene Spieler als auch für Lernende interessante Möglichkeiten bietet. Sie erfordert jedoch ein gutes Verständnis der damit verbundenen Pläne und Ideen, da ihre Flexibilität und ihre versteckte Gefährlichkeit oft unterschätzt werden. Manche Spieler setzen bewusst in Blitzpartien auf solche Strukturen, um dem Gegner, der angreifen will, aber für seine Pläne lange überlegen muss, Zeit zu kosten.

Benoni-Verteidigung

Die Benoni-Verteidigung ist eine dynamische und strategisch komplexe Eröffnung, die nach den Zügen 1. d4 Sf6 2. c4 c5 3. d5 e6

4. Sc3 exd5 5. cxd5 d6 6. Sf3 g6 7. e4 entsteht.

Diese Verteidigung führt zu einer asymmetrischen Bauernstruktur, die das Spiel charakteristisch prägt und beiden Seiten spezifische Pläne und Möglichkeiten bietet.

In der Benoni-Verteidigung steht Schwarz nach den ersten Zügen mit einem Bauern auf d6 und oft auch auf e6, während Weiß Bauern auf d5 und e4 kontrolliert. Diese Bauernstruktur führt zu einem typischen Kampf zwischen Weiß, der Raumvorteil und Zentrumskontrolle hat, und Schwarz, der auf dynamisches Gegenspiel setzt. Schwarz hat weniger Raum, aber er zielt darauf ab, durch schnelle Figurenentwicklung und aktive Züge Gegenspiel zu schaffen.

Ein zentrales Merkmal dieser Bauernstruktur ist das starke weiße Zentrum mit den Bauern auf d5 und e4, das Weiß die Kontrolle über wichtige Felder im Zentrum gibt. Schwarz hingegen hat einen Bauern auf d6, der den eigenen Raum einschränkt, aber gleichzeitig als Stützpunkt für zukünftige Operationen dienen kann. Die halboffene c-Linie für Schwarz und die e-Linie für Weiß spielen eine wichtige Rolle im weiteren Verlauf der Partie.

Weiß strebt danach, den Raumvorteil durch das Zentrum auszubauen und die Figuren aktiv zu positionieren. Oft versucht Weiß, durch Züge wie f4 und Le2 die Kontrolle über das Zentrum weiter zu festigen und auf Königsangriffe überzugehen. Aufgrund des Raumvorteils und der Möglichkeit, Figuren schnell zum Königsflügel zu verlagern, kann Weiß einen Angriff auf den schwarzen König planen, besonders wenn Schwarz die kurze Rochade durchgeführt hat.

Schwarz versucht typischerweise, am Damenflügel Gegenspiel zu entwickeln, indem er Züge wie …b5 vorbereitet. Dieser Vorstoß zielt darauf ab, die weiße Bauernstruktur am Damenflügel zu destabilisieren und eigene Figuren zu aktivieren. Der Zug …g6 gefolgt von …Lg7 zielt darauf ab, Druck auf den weißen Bauern auf d4 auszuüben und gleichzeitig die Kontrolle über das zentrale Feld e5 zu erlangen. Der Läufer auf g7 spielt eine Schlüsselrolle im Gegenspiel, da er sowohl defensiv als auch offensiv genutzt werden kann. Schwarz kann durch Manöver wie …Sbd7 und …Sa6 versuchen, den Springer nach b4 zu bringen, um den Druck auf das Zentrum und die weiße Bauernstruktur zu erhöhen.

Die Benoni-Verteidigung ist ein Beispiel für eine Eröffnung, die zu ungleichen und oft sehr taktischen Stellungen führt. Weiß hat den Vorteil der Raumkontrolle und kann langfristige Pläne verfolgen, während Schwarz auf seine aktiven Figuren und dynamische Möglichkeiten setzt, um das Gleichgewicht zu halten oder Gegenspiel zu entwickeln. Das Verständnis der zugrunde liegenden Bauernstruktur ist entscheidend, um die richtigen Pläne für beide Seiten zu entwickeln und erfolgreich umzusetzen. Für Schwarz gelten solche Eröffnungen als sehr anspruchsvoll.

Stonewall-Angriff

Der Stonewall-Angriff bringt eine charakteristische Bauernstruktur hervor und kann sowohl von Weiß als auch für Schwarz gespielt werden. Die Struktur ist bekannt für ihre solide und zugleich aggressive Ausrichtung und kann aus verschiedenen Eröffnungen entstehen.

Die im Diagramm gezeigte weiße Kette aus c3, d4, e3 und f4 ist die typische Stonewall-Struktur. Am häufigsten entsteht sie aus den Eröffnungen klassisches Damengambit, Verteidigung des abgelehnten Damengambits und die Holländische Verteidigung. Für Schwarz sind es die Felder c6, d5, e6 und f5, die eine solche Struktur bilden. Diese Struktur ist in der Mitte äußerst stabil und schwer zu durchbrechen, da die Bauernkette starke Kontrolle über zentrale Felder wie e5 und d4 (für Schwarz) ausübt. Die Bauernformation gibt den Figuren klare Felder, auf denen sie optimal platziert werden können.

Eine der strategischen Schwächen dieser Struktur ist das Loch auf e4 (für Weiß) oder e5 (für Schwarz). Da kein Bauer diese Felder abdeckt, können sie zu einem Einbruchspunkt für gegnerische Figuren werden, insbesondere für Springer. Daher ist es für den Stonewall-Spieler wichtig, diesen Schwachpunkt sorgfältig zu verteidigen oder zu blockieren.

Auch hier gibt es für beide Seiten strategische Pläne. Ein Hauptziel von Weiß im Stonewall-Angriff ist es, einen Angriff am Königsflügel zu starten. Weiß kann versuchen, die Bauernstruktur durch h2-h4 und g2-g4 zu erweitern, um den gegnerischen König anzugreifen, insbesondere nach einer Rochade des Gegners auf die Königsseite. Ein typischer Plan ist es, den Springer von f3 nach e5 zu manövrieren, um Druck auf die gegnerische Stellung auszuüben. Weiß kann auch die Dame nach f3 bringen, um den Angriff auf den Königsflügel zu unterstützen. Ein weiteres Ziel ist es, die Türme auf der f- und g-Linie zu verdoppeln, um den Druck auf den gegnerischen König zu erhöhen.

Schwarz strebt an, das Zentrum mit der Bauernkette f5-e6-d5 zu kontrollieren und gegebenenfalls mit …c5 oder …b6 das Zentrum weiter zu stabilisieren. Ein wichtiger strategischer Plan ist es, den Springer nach e4 zu bringen, von wo aus er die weiße Stellung angreifen und Kontrolle über wichtige Felder ausüben kann. Schwarz kann auch am Damenflügel durch Manöver wie …b6 und …a5, gefolgt von …La6, versuchen, Druck auf den weißen Aufbau auszuüben.

Die stabile Bauernstruktur macht es schwer für den Gegner, direkt ins Zentrum einzudringen, was dem Spieler die Möglichkeit gibt, langfristige strategische Pläne zu verfolgen. Allerdings erfordert diese Eröffnung ein tiefes Verständnis der Stellung und der damit verbundenen Pläne, da unachtsames Spiel die strukturellen Schwächen ausnutzen kann.

Maróczy-Aufbau

Der Maróczy-Aufbau ist eine Schachstruktur, die nach dem ungarischen Großmeister Géza Maróczy benannt wurde und in verschiedenen Eröffnungen, insbesondere gegen die Beschleunigte Drachenvariante der Sizilianischen Verteidigung, eine wichtige Rolle spielt. Diese Struktur ist bekannt für ihre solide und zugleich einschränkende Natur, die dem Spieler mit dem Maróczy-Aufbau eine starke Kontrolle über das Zentrum ermöglicht.

Die Maróczy-Struktur entsteht typischerweise nach den Zügen 1. e4 c5 2. Sf3 Sc6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 g6 5. c4

Hier stellt Weiß die Bauern auf e4 und c4, während Schwarz häufig die typischen Züge der Beschleunigten Drachenvariante ausführt, wie …g6, …Lg7, …Sf6 und …d6.

Die Maróczy-Struktur zeichnet sich durch die Bauernaufstellung c4 und e4 aus, die zusammen mit dem d-Bauern (meist auf d3 oder d4) ein starkes Zentrum und eine mächtige Kontrolle über die wichtigen Felder d5 und b5 für Weiß schaffen. Diese Bauernformation verhindert, dass Schwarz seinen zentralen Bauernvorstoß …d5 ohne Vorbereitungen durchführen kann, was häufig eine zentrale Idee im Drachen- und Beschleunigten Drachensystem ist.

Ein weiteres Merkmal der Maróczy-Struktur ist die relative Schwäche der schwarzen Bauern auf d6 und b7. Diese Schwächen können im Laufe der Partie angegriffen werden, insbesondere durch Druck auf der halboffenen c-Linie oder durch Figurenmanöver, die auf diese Felder abzielen.

Ein Hauptziel für Weiß im Maróczy-Aufbau ist es, die Kontrolle über das Zentrum zu bewahren und den Vorstoß …d5 von Schwarz zu verhindern. Die zentralen Bauern auf c4 und e4 bilden die Grundlage für dieses Vorgehen. Weiß kann oft mit a2-a3 und b2-b4 versuchen, am Damenflügel Raum zu gewinnen und die schwarzen Bauern auf b7 und c5 unter Druck zu setzen. Typischerweise platziert Weiß den Läufer auf e3 und den Springer auf c3, um maximalen Druck auf die schwarzen Felder im Zentrum und am Damenflügel auszuüben. Die Dame kann oft nach d2 oder e2 entwickelt werden, während die Türme auf die offenen oder halboffenen Linien c und d gestellt werden.

Schwarz sucht häufig nach Gelegenheiten, einen dieser Durchbrüche zu erreichen, um die weiße Bauernstruktur zu destabilisieren und Gegenspiel zu erlangen. Besonders …d5 ist ein klassischer Plan, aber schwer durchzusetzen, da Weiß darauf vorbereitet ist. Der Läufer auf g7 spielt eine zentrale Rolle in Schwarz’ Strategie. Schwarz versucht, den Druck auf die Diagonale h8-a1 aufrechtzuerhalten und möglicherweise durch Manöver wie …Se5 oder …Se8-c7 das Feld b5 zu kontrollieren und den Bauernvorstoß vorzubereiten. Schwarz kann durch Züge wie …Sd7 und …Sf6 Druck auf die weißen zentralen Bauern ausüben. Durch geschicktes Figurenmanöver und die Vorbereitung des Durchbruchs …f5 kann Schwarz versuchen, das Zentrum zu destabilisieren.

Weitere Prinzipien und Gedanken

Was will Schwarz und was will Weiß?

Seit langer Zeit gibt es Diskussionen über diese Frage im Schach. Für Außenstehende und Anfänger mag sie absurd klingen, schließlich wollen beide Seiten gewinnen, aber so einfach ist es nicht. Durch den ersten Zug, den sogenannten Anzug, hat Weiß einen Vorteil. Wie groß dieser Vorteil ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Selbst Analysen von KIs schwanken, häufig sogar von Version zu Version. Bei Stockfish 16 liegt der Vorteil zwischen 0,2 und 0,3 Bauerneinheiten.

Auch statistisch ist der Vorteil von Weiß sichtbar, wie ich am Anfang des Buches schon erwähnt habe. Deswegen – so die Schachliteratur – sind die Ziele in der Eröffnung unterschiedlich: Schwarz sucht nach Ausgleich, während Weiß versucht, den Vorteil weiter auszubauen.

Doch was bedeutet das konkret? Weiß hat von Anfang an die Initiative und strebt danach, das Spiel zu kontrollieren. Weiß möchte Druck aufbauen, den Gegner zu Fehlern zwingen und einen frühen Vorteil in einen entscheidenden Angriff ummünzen. Schwarz hingegen steht vor der Herausforderung, die Initiative von Weiß zu neutralisieren. Statt sofort selbst anzugreifen, zielt Schwarz oft darauf ab, stabile Positionen zu erreichen, Gegenspiel zu entwickeln und möglicherweise in ein Endspiel überzugehen, in dem die ursprünglichen Vorteile von Weiß verblassen.

Modernere Betrachtungen sehen die Position von Schwarz nicht ganz so kritisch. Ja, Weiß hat durch den ersten Zug die Initiative und einen kleinen Anzugsvorteil. Aber in jeder Eröffnung gibt es Mittel und Wege, Weiß aufs Glatteis zu führen, kritische Positionen anzustreben und Pfade abseits bekannter Hauptvarianten zu beschreiten, die schwierig zu berechnen sind. Rein aus der Computeranalyse heraus mag manches nicht haltbar sein, aber wenn wir gegen Menschen spielen, gelten andere Regeln. Selbst Großmeister können auf dem besagten Glatteis Nerven zeigen.

Die schlechte Nachricht dabei ist, dass es sich beim Vorteil von Weiß nicht nur um reine Psychologie handelt. Dies wird deutlich, wenn man sich Statistiken anschaut, die sich ausschließlich auf KI-Partien konzentrieren. CCRL ist als Quelle hervorragend geeignet. Bei den Blitzpartien kommt Weiß auf eine Siegquote von 33,9 %, Schwarz liegt bei 24,6 %. Diese Zahlen basieren auf über 1,3 Millionen gespielten Partien von 2203 Schachprogrammen, Stand August 2024. Noch beeindruckender wird es, wenn wir uns die Statistiken von Stockfish 16 anschauen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat diese Version 3576 Partien im Blitz gespielt. Die Siegquote mit Weiß lag bei 24,6 %, für Schwarz lediglich bei 6,0 %. Beachtlich ist auch, dass auf diesem Niveau 69,4 % der Partien Remis endeten. Es geht jedoch noch weiter: Wenn ich einen Filter anwende, der nur KIs mit 3700 Elo oder mehr berücksichtigt, bleiben immer noch 2110 Partien übrig, aber die Quoten verändern sich erheblich: 18,9 % für Weiß, 2,8 % für Schwarz, 78,3 % Remis.

Noch deutlicher wird es, wenn wir nur die Partien betrachten, die durch Matt entschieden wurden. Dann bleiben lediglich 150 Partien übrig, von denen Schwarz nur 12,7 % und Weiß beeindruckende 87,3 % gewonnen hat.

Was bedeutet das für Sie? Eigentlich nichts. Sie sind nicht Stockfish, und Sie sind nicht einmal eine KI. Der Gedanke, mit Schwarz um Ausgleich bemüht zu sein, ist eine Orientierung, die vor allem auf höheren Spielstärken eine gewisse Relevanz hat. Selbst als guter Vereinsspieler sollte dies jedoch keine übergeordnete Rolle spielen. Manche Spieler haben sogar mit Schwarz eine etwas bessere Statistik, so wie ich.

Am Ende zählt im Schach nicht, ob man Weiß oder Schwarz spielt, sondern wie gut man die Chancen, die sich im Spielverlauf bieten, erkennt und nutzt.

Die Eroberung des Raumes

Die Raumkontrolle ist ein zentrales Konzept im Schach und beeinflusst maßgeblich die Dynamik und das Potenzial einer Partie. Sie bezieht sich auf die Fähigkeit, wichtige Felder zu kontrollieren und die Bewegungsfreiheit der eigenen Figuren zu maximieren, während die gegnerischen Figuren eingeschränkt werden.

Die Vorteile der Raumkontrolle liegen auf der Hand. Mehr Raum bedeutet mehr Bewegungsfreiheit für die eigenen Figuren. Sie können leichter von einem Flügel zum anderen wechseln, um auf Bedrohungen zu reagieren oder Angriffe zu unterstützen. Mit mehr Raum kann man leichter Angriffspunkte gegen den Gegner finden, da man die Figuren in günstigere Positionen bringen kann. Dies ermöglicht es, Druck auf den Gegner auszuüben und ihn zu Fehlern zu zwingen.

Allerdings muss dieser Raum auch verteidigt werden. Je mehr Raum man kontrolliert, desto mehr Angriffsflächen bietet man dem Gegner. Es kann schwierig sein, einen großen Raum zu verteidigen, besonders wenn man nicht genug Figuren hat, um alle wichtigen Punkte zu decken. Dies kann zu Schwächen führen, die der Gegner ausnutzen kann. Wenn man zu viel Raum erobert, riskiert man, die Figuren zu weit auseinanderzuziehen. Dies kann dazu führen, dass die Armee nicht mehr als Einheit agiert und man die Figuren isoliert und sie anfällig für Angriffe werden. Diesen Effekt nennt man auch »Überdehnung«.

Das kompakte Stehen im Schach hat seine eigenen Vorzüge. Wenn Ihre Figuren eng zusammenstehen, können Sie sie besser gegenseitig unterstützen. Das macht es für den Gegner schwerer, Schwachstellen in Ihrer Stellung zu finden und anzugreifen.

Ein gutes Beispiel ist die bereits gezeigte Maróczy-Struktur. Hier hat Weiß eine überlegene Raumkontrolle, indem er mit seinen Bauern die Felder c4 und e4 kontrolliert. Schwarz hat weniger Raum, aber seine Stellung ist kompakt und schwer zu durchbrechen. Wenn Schwarz geduldig spielt und den Raumvorteil von Weiß unterminiert, kann er im späteren Verlauf der Partie Gegenspiel entwickeln.

Ein weiteres Beispiel ist die Königsindische Verteidigung. In dieser Eröffnung gibt Schwarz oft bewusst Raum auf, um eine solide und kompakte Stellung zu errichten. Weiß kontrolliert zwar mehr Raum im Zentrum, aber Schwarz plant langfristige Gegenschläge auf den Flügeln, insbesondere den Königsflügel, wo er seine Figuren und Bauern zum Angriff vorzieht.

Ob es besser ist, viel Raum zu kontrollieren oder eher kompakt zu stehen, hängt von der spezifischen Stellung und der Spielführung ab. Im Allgemeinen ist es vorteilhaft, Raum zu kontrollieren, da dies die Mobilität der Figuren erhöht und mehr strategische Optionen bietet. Allerdings muss man darauf achten, nicht zu viel Raum zu erobern und dadurch anfällig für Gegenangriffe zu werden. In Positionen, in denen der Gegner stark verteidigt und man keine klaren Angriffspunkte hat, kann eine kompakte Stellung besser sein, um Schwächen zu vermeiden und auf gegnerische Fehler zu warten.

Die beste Strategie ist oft eine Balance: Sie sollten genug Raum kontrollieren, um Ihre Figuren aktiv zu entwickeln und Pläne umzusetzen, aber nicht so viel, dass Sie sie überdehnen und verwundbar werden.

Doppelbauer, Tripelbauer, Quadrupelbauer

Dies sind spezielle Bauernstrukturen im Schach, bei denen zwei, drei oder sogar vier Bauern derselben Farbe auf einer Linie stehen. Diese Strukturen haben spezifische Vor- und Nachteile, die je nach Spielsituation variieren können.

Dies ist ein bekanntes Beispiel für einen Doppelbauern. Die Position entstand aus der Spanischen Eröffnung nach den Zügen 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 Sf6 4. O-O Sxe4 5. d4 Sd6 6. Lxc6 dxc6 7. dxe5

Doppelbauern entstehen, wenn zwei Bauern derselben Farbe auf einer Linie stehen, oft nach einem Abtausch. In vielen Fällen werden Doppelbauern als Schwäche betrachtet, weil sie sich nicht gegenseitig decken können und dadurch anfälliger für Angriffe sind. Außerdem ist ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt, da der hintere Bauer den vorderen blockiert. Diese Struktur kann auch schwache Felder in der Umgebung schaffen, die der Gegner ausnutzen kann. Auf der anderen Seite können Doppelbauern in bestimmten Situationen von Vorteil sein, insbesondere wenn durch ihren Entstehen offene Linien für die Türme geschaffen werden oder sie Kontrolle über wichtige zentrale Felder bieten.

Trotz zwei Doppelbauern, von denen ein Paar sogar isoliert ist, befindet sich Weiß im Vorteil. Insbesondere die offene g-Linie ist eine ausgezeichnete Kompensation dafür.

Tripelbauern, also drei Bauern auf derselben Linie, verstärken die Nachteile der Doppelbauern. Die Mobilität der Bauern wird noch weiter eingeschränkt, und die Schwächen in der Bauernstruktur werden ausgeprägter, da mehr Schwachstellen entstehen, die schwer zu verteidigen sind. Tripelbauern sind seltener anzutreffen, und ihre Bildung erfordert oft erhebliche Abtauschaktionen, die das Spielgeschehen stark beeinflussen können.

Das Bild zeigt die Partie Vidit Santos Gujrathi gegen Gupta Abhijeet, gespielt 2018. Im 24. Zug bildet Weiß einen Tripelbauern, aber nur übergangsweise. Die Position von Weiß hat sich dadurch etwas verschlechtert, nach 24…Sd7 25. exd6 Lxd6?! 26. c5 hat sich die Lage aber gebessert und Weiß gewinnt am Ende, trotz des zwischenzeitlichen Tripelbauers.

Quadrupelbauern, vier Bauern auf einer Linie, sind extrem seltene und in den meisten Fällen sehr nachteilige Konstellationen. Die Mobilität dieser Bauern ist nahezu vollständig eingeschränkt, und die Position weist mehrere Schwachstellen auf, die dem Gegner zahlreiche Angriffsmöglichkeiten bieten. Eine solche Struktur entsteht meist nur in sehr speziellen Situationen, die oft bereits auf eine strategische Nachteilsposition hinweisen.

Gabor Kovacs gegen Rainer Barth 1994. Nach dem 22. Zug erlangt Weiß einen äußerst seltenen Quadrupelbauern. Aufgrund der besetzten d- und f-Linien und des Mehrbauers steht Weiß besser dran. Am Ende reichte es aber nur für ein Remis. Die Stellung nach dem 44. Zug von Weiß sah so aus:

Keines der beiden Seiten hat noch eine Chance auf einen Sieg.

Doppelbauern entstehen häufig bereits in der Eröffnung. Tripelbauern und Quadrupelbauern hingegen eher im Mittel- oder Endspiel.

Zusammengefasst werden Doppelbauern, Tripelbauern und Quadrupelbauern in der Regel als Schwäche betrachtet, weil sie die Bauernstruktur destabilisieren, die Bewegungsfreiheit einschränken und zusätzliche Schwachstellen schaffen. Dennoch können sie in bestimmten Spielsituationen auch Vorteile bieten, wie die Öffnung von Linien oder die Kontrolle über zentrale Felder. Letztlich hängt die Bewertung dieser Strukturen stark von der jeweiligen Partie und den spezifischen taktischen und strategischen Überlegungen ab.

Das Ende der Weisheit

Sie haben nun eine Vielzahl von Informationen über Schacheröffnungen aufgenommen. Es stellt sich zwangsläufig die Frage, wie all dieses Wissen in der Praxis eingesetzt werden kann. Es mag frustrierend erscheinen, wenn man bedenkt, dass die bisher vermittelten Informationen nur wenige Tropfen im weiten Meer der Eröffnungstheorie sind. Doch die Reise war keineswegs umsonst. Allein das Bewusstsein, auf Bauernstrukturen zu achten und die dahinterliegenden strategischen Pläne zu verstehen, wird Sie zwangsläufig zu einem besseren Spieler machen.

In der Praxis spezialisieren sich die meisten Spieler auf wenige Eröffnungen. Hier lohnt es sich, die Bauernstrukturen intensiv zu studieren. Einige der wesentlichen Merkmale wurden bereits in diesem Buch behandelt, aber es gibt zwangsläufig Aspekte, die noch nicht angesprochen wurden. Wenn Sie sich weiter verbessern möchten, müssen Sie tiefer in Ihre bevorzugten Eröffnungen und deren Varianten eintauchen.

Je länger Sie spielen und Ihre Partien analysieren, desto häufiger werden Ihnen die erwähnten Strukturen und Prinzipien begegnen. Mit der Zeit werden Sie diese auf dem Brett schneller erkennen und unmittelbar die nötigen Strategien vor Augen haben, die Ihnen helfen, konkrete Züge zu berechnen. Dies ist letztlich der Kerngedanke der Schachstrategie: Sie hilft Ihnen, sich auf die wesentlichen Züge zu konzentrieren, anstatt jede mögliche Option zu erwägen und zu berechnen.